
Was der Erfolg der Serie über unsere kollektive Psyche verrät, hat sich der Bildungswissenschaftler und Psychologe Dr. Gerald Poscheschnik von der Universität Innsbruck aus einem psychoanalytischen Blickwinkel näher angesehen. Insbesonders interessierte ihn die Großgruppendynamik, die sich in der Topographie der fiktiven Welt widerspiegelt. „Grundsätzlich ist die Interpretation von Büchern oder Filmen in der psychoanalytischen Forschung nicht ungewöhnlich. Psychoanalyse interessiert sich dabei immer auch für den Subtext, für Themen, die nicht explizit angesprochen werden. ‚Game of Thrones‘ bietet hier ein wunderbar breites Feld“, so Poscheschnik.
Für ihn verkörpern die drei Gebiete und Handlungsstränge Unbewusstes, das auch unsere heutige Gesellschaft prägt: „Westeros ist die Welt im Konflikt, im Niedergang. Das kann als Chiffre für die heutige Kultur gelesen werden, in der – zumindest subjektiv gesehen – ebenfalls Unsicherheit zunimmt und Gesellschaften immer mehr auseinanderklaffen. Der Norden verkörpert Verdrängtes – die Gefahr, die man bewusst ignoriert oder weglächelt. Essos ist Projektionsfläche für die Hoffnung auf eine gute Wendung, auf eine Lösung der Konflikte und eine Abwehr der Gefahr. In Zeiten der Angst und der Krise taucht immer Hoffnung auf und dient auch dazu, um uns über Schlimmes hinwegzutragen und zu trösten – auch eine Form des Selbstbetrugs, ähnlich der Verdrängung.“