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Digitale Hidden Champions in Österreich

31. März 2021

von Armin Ronacher

Als Hidden Champions gelten erfolgreiche Unternehmen, die der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sind, da sie ihre Erzeugnisse an andere Unternehmen verkaufen. Sie erzeugen keine Konsumgüter, sondern die für das Ent- und Bestehen dieser Güter erforderlichen Komponenten. In Österreich gibt es bekanntlich eine ganze Reihe solcher Unternehmen, wobei allerdings leicht übersehen wird, dass einige dieser Hidden Champions im digitalen Raum präsent sind.

Österreich, und insbesondere Wien, kristallisiert sich als guter Standort für den Aufbau eines Engineering-Teams heraus.

Armin Ronacher Director of Engineering bei Sentry

Österreichische Leser und Leserinnen verbinden mit dem wirtschaftlichen und unternehmerischen Umfeld in Österreich zweifelsohne die Worte „Zulieferer" und „Hidden Champion". Und das sind bei der Suche nach erfolgreichen Unternehmen auch häufig die ersten Begriffe, die einem einfallen. Traditionell werden diese im Zusammenhang mit der produzierenden und verarbeitenden Industrie verwendet.

Moderne Lieferketten beinhalten nicht nur physisch vorhandene Produkte, sondern erstrecken sich auch auf die Lieferung von digitalen Gütern und Dienstleistungen. In der Softwareentwicklung findet eine versteckte Transformation hin zu Open-Source-Software, offenen Protokollen, offenen Standards und anderen wiederverwendbaren Komponenten statt. Selbst proprietäre Betriebssysteme wie iOS oder macOS von Apple bestehen aus hunderten Open-Source-Bibliotheken, die jeweils ihre Beiträge in die Systeme einbringen. Open Source bedeutet nicht nur, dass man Einblick in den Quellcode einer Bibliothek hat, sondern auch, dass verschiedenste Menschen auf der ganzen Welt etwas beitragen können.


Heutzutage bilden Open-Source-Programmiersprachen und wiederverwendbare Open-Source-Bibliotheken die Grundlage für viele der beliebtesten Dienste weltweit, und einige davon haben ihren Ursprung in Österreich bzw. sind wesentliche Beiträge ‚Made in Austria'. Beispielsweise verwenden zahlreiche iPhone-Anwendungen für Automatisierungszwecke die Fastlane-Bibliothek, die ursprünglich in Österreich entwickelt und dann von Google gekauft wurde. Meine eigenen Open-Source-Bibliotheken, wie etwa das Flask-Framework, unterstützen gegenwärtig Teile einiger der größten Websites und Plattformen weltweit, unter anderem LinkedIn. Doch nicht nur für Open Source ist Österreich ein guter Boden. Mit PSPDFKit haben wir ein in Wien ansässiges Unternehmen, das ein Framework zur PDF-Verarbeitung für Dropbox und unzählige weitere hochkarätige Kunden bereitstellt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie täglich Anwendungen und Dienstleistungen nutzen, die auf Software mit wesentlichen Komponenten österreichischen Ursprungs basieren, ist daher ziemlich hoch.


Doch auch im Dienstleistungsbereich verfügt Österreich über Hidden Champions. Und einige davon sind ebenfalls in hohem Maße an unserem modernen Leben beteiligt, ohne dass dies allgemein bekannt wäre. So unterstützen wir von Sentry beispielsweise einige der international beliebtesten Websites und Apps. Wir stellen ein System zur Verfügung, das Anwendungen auf Abstürze hin überwacht und deren Entwicklern Einblicke dahingehend ermöglicht, was falsch gelaufen ist. Der Wert unseres zu 100 % auf Open Source bauenden Unternehmens wird mit 1 Mrd. $ beziffert, und wir stehen damit für eine bedeutsame Entwicklungspräsenz mitten in Wien. Genau hier arbeiten wir an den Kernkomponenten für die Berichterstattung zu Abstürzen, die Leistungsüberwachung und die Weiterverarbeitung der entsprechenden Daten.


Österreich, und insbesondere Wien, kristallisiert sich als guter Standort für den Aufbau eines Engineering-Teams heraus. Während es aufgrund des geringen Volumens schwer sein kann, ein auf Endverbraucher ausgerichtetes Produkt neu auf dem österreichischen Markt zu etablieren, sind mit dem Aufbau eines SaaS-Unternehmens keine derartigen Nachteile verbunden. In Wien können wir Entwicklern ein gutes Arbeitsumfeld bieten, das sich von der im Silicon Valley herrschenden Hektik in gewisser Weise unterscheidet. Denn für den Aufbau eines derart komplexen Systems wie Sentry, benötigt man nicht nur die richtigen Talente, sondern muss diese auch halten können. Dementsprechend können wir an unserem Wiener Standort auf eine sehr niedrige Fluktuationsrate verweisen. Wir bauen hier etwas Hochtechnisches auf, mit interessanten Herausforderungen und modernen Technologien. Und das in einer der lebenswertesten Städte der Welt – was keineswegs zu verachten ist.


Obwohl es aufgrund des kleinen Marktes durchaus eine Herausforderung sein kann, an die richtigen Talente zu kommen, haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, internationale Talente innerhalb der Europäischen Union und auch von außerhalb zu rekrutieren. Ungeachtet dessen, verfügt Österreich in diesem Bereich selbst über sehr viel Know-how. So haben wir mit Sentry und Dynatrace zwei große und renommierte Unternehmen aus dem erweiterten Bereich der Anwendungsüberwachung, die eine umfassende Engineering-Präsenz aufweisen. Und es gibt weit mehr als nur Tools für die Überwachung von App-Performances. So ist z. B. Bitmovin von Klagenfurt aus gestartet und gilt heute als eines der vielversprechendsten Unternehmen mit Software zur Codierung von Videos für Online-Streamingdienste. Erneut ein Unternehmen, das zwar nur wenige kennen, das jedoch extrem erfolgreich ist.


Die Entwicklung dieser Art von Software ist eine echte Chance für österreichische IT-Unternehmen. Auf diesem Gebiet haben wir eine ganze Menge zum Vorzeigen, und für die Zukunft besteht noch viel mehr Potential.

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