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Flexco - eine neue Kapitalgesellschaftsform in Österreich

23. Juli 2024

FlexCo – eine weitere Kapitalgesellschaftsform in Österreich seit 2024. Viel Gestaltungsspielraum. Gedacht für „Startups“ aber offen für alle Unternehmen.

I. Was ist die FlexCo und warum wurde Sie eingeführt?

Die Flexible Kapitalgesellschaft, die zwingend die Kurzbezeichnung FlexKapG oder FlexCo tragen muss, wurde mit Wirkung zum 01.01.2024 in Österreich eingeführt. Diese weitere Rechtsform wurde insbesondere geschaffen, um Startups und Gründern eine international wettbewerbsfähige Option zu bieten. Die FlexCo steht nicht ausschließlich Startups offen, sondern bietet allen Unternehmen eine moderne und flexible Rechtsform. 
Die FlexCo wurde eingeführt, weil die GmbH manchmal den Anforderungen der dynamischen Wirtschaft nicht mehr gerecht wurde und die AG sich erst ab einer bestimmten Größe eignet. 

II. Wesentliche Merkmale der FlexCo

Auf die FlexCo sind grundsätzlich die Regeln der GmbH anzuwenden, wenn im FlexKapGG nichts Abweichendes geregelt ist. Die FlexCo und die GmbH haben die gleichen Organe mit denselben Organkompetenzen: Generalversammlung, Geschäftsführer und bei Vorliegen bestimmter Größenkriterien einen Aufsichtsrat. 
Einige wesentliche Neuerungen und Unterschiede zur GmbH sind: 

  1. Unternehmenswertanteile: Die augenfälligste und innovativste Neuerung des FlexKapGG ist die Schaffung der Unternehmenswert-Anteile. Das FlexKapGG hat neben den herkömmlichen Geschäftsanteilen eine zusätzliche Anteilsklasse eingeführt, um insbesondere Start-ups die Möglichkeit zu geben, ihre Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens teilhaben zu lassen. Den Unternehmenswertbeteiligten steht eine Beteiligung am Bilanzgewinn und der Substanz zu, jedoch in der Regel kein Stimmrecht.
  2. Stückanteile: Die Anteilsübertragung kann auch dadurch erleichtert werden, dass der Gesellschaftsvertrag die Geschäftsanteile in Stammeinlageanteile von zumindest 1 Euro Nennbetrag stückelt (Stückanteile). Die Gesellschafter haben dann abweichend zur Regelung für GmbH Gesellschafter keinen einheitlichen Geschäftsanteil, sondern (wie im Aktienrecht) mehrere Anteile, über die sie getrennt verfügen können.
  3. Kapitalmaßnahmen: Eine weitere große Neuerung des FlexKapGG ist die Flexibilisierung der Kapitalmaßnahmen: Die FlexCo kann im weiteren Umfang als die GmbH eigene Anteile erwerben. Die FlexCo kann ihr Stammkapital im Unterschied zur GmbH nicht nur ordentlich oder nominell erhöhen, sondern auch bedingt oder durch genehmigtes Kapital erhöhen.
  4. Erleichterte Übertragung der Anteile: Im GmbHG ist für die Übertragung eines Geschäftsanteils die Form eines Notariatsakts zwingend vorgeschrieben. Bei der FlexCo genügt eine von einem rechtsberatenden Beruf betreute Urkunde. Bei Unternehmenswertanteilen genügt sogar die Schriftlichkeit (Unterschrift) ohne Notar oder Anwalt.
  5. Umlaufbeschlüsse: Anders als bei der GmbH kann im Gesellschaftsvertrag der FlexCo vorgesehen werden, dass Umlaufbeschlüsse auch ohne Einverständnis aller Gesellschafter zu dieser Form der Beschlussfassung gefasst werden können.
  6. Mindeststammkapital/Mindeststammeinlage: Das Mindeststammkapital der FlexCo beträgt EUR 10.000. Im Zuge der Einführung der FlexCo wurde das Mindeststammkapital der GmbH aber ebenfalls auf EUR 10.000 reduziert. Davon müssen bei der Gründung zumindest EUR 5.000 eingezahlt werden. Es handelt sich bei der Herabsetzung des Stammkapitals um eine wesentliche gesellschaftsrechtliche Änderung in Österreich, die aber kein Vorteil spezifisch für der FlexCo ist. Anders als bei der GmbH beträgt die Mindeststammeinlage der einzelnen Gesellschafter bei der FlexCo nicht EUR 70, sondern bloß EUR 1.

 

Vorteile der FlexCo für Startups

1. Unternehmenswert-Anteile

  • Unternehmenswert-Anteile gewähren eine Beteiligung am Bilanzgewinn und an der Substanz, jedoch grundsätzlich kein Stimmrecht.
  • Ein besonderer Vorteil der FlexCo für Start Ups ist die Möglichkeit solche Unternehmenswert-Anteile zB an Mitarbeiter auszugeben, wobei die Ausgabe nicht an Mitarbeiter beschränkt ist. Unternehmenswert-Anteile sind ein konzeptionell auf Start-ups zugeschnittenes Mitarbeiterbeteiligungsmodell.
  • In den frühen Phasen der Gründung verfügen Unternehmen oft nur über begrenzte finanzielle Mittel, was es schwierig macht, hochqualifizierte Mitarbeiter angemessen zu vergüten. Diese Situation birgt das Risiko, dass Mitarbeiter zu besser zahlenden Arbeitgebern abwandern oder „aus der Not“ und nicht aus Überzeugung von den eigentlichen Gründern zu vollberechtigten Mitgesellschaftern gemacht werden. Durch die Einführung von Unternehmenswert-Anteilen kann diesem Problem entgegengewirkt werden. Unternehmenswert-Anteile ermöglichen es Mitarbeitern, auf einfache Weise am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens teilhaben zu lassen, was wiederum die Loyalität zum Unternehmen stärkt.
  • Die Ausgabe von Unternehmenswert-Anteilen muss im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehen werden. Unternehmenswert-Anteile dürfen maximal bis zu 24,99 % des Stammkapitals ausgegeben werden.
    - Mitverkaufsrecht - Anders als „normale“ Gesellschafter haben Personen mit Unternehmenswerte-Anteilen überdies zwingend das Recht, ihre Anteile bei einem Exit der Gründungsgesellschafter zu denselben Konditionen wie diese mitzuveräußern. Sie können ihre Anteile aber auch unabhängig von einem solchen Exit-Event unkompliziert, nämlich in Schriftform (= Unterschriftlichkeit) und grds ohne Zustimmung der Gesellschaft, verkaufen.
    - Begünstigte Besteuerung von Unternehmenswert-Anteilen:
    Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es folgende Begünstigungen bei der Besteuerung von Unternehmenswert-Anteilen:
    i)    Besteuerungsaufschub: Die Vermögungszuwendung wird erst im Zeitpunkt des Exits und nicht im Zeitpunkt der Zuwendung der Anteile besteuert.
    ii)    Unter gewissen Voraussetzungen kommt es zu einer begünstigen, pauschalen Besteuerung
    iii) Es gibt weiters Begünstigungen im Bereich der Sozialversicherungsbeiträge und Lohnnebenkosten

2.    Erleichterte Übertragung der Anteile

  • Bei der GmbH ist für Anteilsübertragungen sowie für Übernahmeerklärungen bei einer Kapitalerhöhung zwingend ein Notariatsakt vorgeschrieben. Diese Formpflicht wird vor allem von ausländischen Investoren teilweise als hinderlich und teilweise von der Praxis als überholt empfunden. Besonders in der Startup-Szene wurde das wegen der Kosten und des Zeitaufwands als störend empfunden.
  • In der FlexCo können normale Geschäftsanteile – als Alternative zum Notariatsakt - durch eine notarielle oder anwaltliche Privaturkunde übertragen werden. Das ist eine wesentliche Neuerung und Erleichterung. Vorteile sind hierbei insbesondere, dass die Parteien nicht gleichzeitig anwesend sein müssen und die Privaturkunde zum Zeitpunkt der Unterzeichnung nicht vom Notar oder Anwalt verlesen werden muss.
  • Für die Unternehmenswert-Anteile geht der Gesetzgeber noch einen Schritt weiter und ermöglicht deren Übertragung bloß unter Einhaltung der Schriftform (Unterschriftlichkeit).

3.    Vereinfachte Beschlussfassung

  • Bei der GmbH ist eine schriftliche Beschlussfassung nur dann möglich, wenn alle Gesellschafter mit dieser Form der Beschlussfassung einverstanden sind. Für die FlexCo wurde die Beschlussfassung flexibilisiert. Damit sollt laut den Gesetzesmaterialien einem von der Start-Up Szene geäußerten Wunsch entsprochen werden. Bei der FlexCo kann im Gesellschaftsvertrag im Unterschied zur GmbH vorgesehen werden, dass die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter zur Form der schriftlichen Beschlussfassung nicht erforderlich ist. Es muss bloß sämtlichen Gesellschaftern die Teilnahme an der Abstimmung ermöglicht werden.
  • Der Gesellschafterkreis von Start-Ups kann sich häufig erweitern – insbesondere im Zuge von Kapitalerhöhungen. Eine große Anzahl von – teilweise im Ausland ansässigen – Gesellschaftern zu beschlussfähigen Präsenzversammlungen zu versammeln, fällt naturgemäß schwer. Darüber hinaus sind die Kosten einer solchen Versammlung für Start-ups belastend.
  • Zudem kann bei FlexCos vorgesehen werden, dass die Stimmabgabe in Textform (etwa per E-Mail) erfolgen kann.

IV. Nachteile der FlexCo?

Die FlexCo ist nicht nur für Start-Ups geeignet, sondern auch für andere Unternehmen. Sie bietet zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten die man nutzen kann, aber nicht muss, aber kaum objektive Nachteile gegenüber der klassischen GmbH.


Potenzielle Nachteile der FlexCo:

 

  • Als Nachteil wird von vielen Kommentatoren die bei der FlexCo im Vergleich zur GmbH früher eintretende Pflicht zur Bestellung eines Aufsichtsrates gewertet. Diese Pflicht tritt bei der FlexCo bereits dann ein, wenn die FlexCo als sog. „mittelgroße Kapitalgesellschaft“ einzustufen ist. Bei der FlexCo kann es daher schon deutlich früher zu einer Aufsichtsratspflicht kommen als bei der GmbH. Aus meiner Sicht ist das aber, abgesehen von den damit verbundenen Kosten für die Aufsichtsräte, nicht unbedingt ein Nachteil. Rasant wachsende Unternehmen sind gut beraten, wenn sie über funktionierende Kontrollmechanismen verfügen.
  • Die FlexCo ist als Rechtsform noch nicht so bekannt ist wie die GmbH und hat daher im Geschäftsverkehr womöglich noch nicht das gleiche Sozialprestige wie eine GmbH. Dieses geringere Vertrauen in die neue Gesellschaftsform hat aber keinen objektiven Grund und wird mit der Zeit wohl abnehmen.
  • Die Bezeichnung „Flexible Kapitalgesellschaft“ und die Kurzbezeichnungen FlexKapG oder FlexCo werden von einigen als nicht gut bzw. „schön“ empfunden. Tatsächlich enthält diese Rechtsformbezeichnung für den Markt auch keine sinnvolle Aussage. Die „Flexibilität“ bezieht sich vor allem auf die Gestaltbarkeit des Verhältnisses der Gesellschafter intern, aber nicht auf das Verhältnis zu den möglichen Geschäftspartnern am Markt.

V. Resümee zur FlexCo als neue Gesellschaftsform

Die flexible Kapitalgesellschaft kann alles, was eine GmbH kann und wenn man will noch mehr. Die FlexCo bietet zahlreiche Vorteile, wie zB die Ausgabe von Unternehmenswerteanteile, Formerleichterung und flexible Gestaltungsmöglichkeiten. Diese Möglichkeiten kann man, muss man aber nicht nutzen. Die FlexCo bedeutet somit eine Erweiterung der Möglichkeiten für Unternehmen. Es gibt Stimmen in der Lehre und den rechtsberatenden Berufen, die meinen, es gäbe eigentlich gar keine Gründe mehr eine klassische GmbH zu gründen oder die beiden Gesetze getrennt zu halten. 

VI. Bedeutung der FlexCo für den Wirtschaftsstandort Österreich

Man kann nicht davon ausgehen, dass die FlexCo alleine zu einem neuen Gründungsboom in Österreich führen wird. Bei der Gründungs- und Standortentscheidung kommt es auf viele Faktoren an, wie die allgemeine wirtschaftliche Stimmung, das Zinsumfeld, Finanzierungsbereitschaft von Investoren und steuerliche Rahmenbedingungen. Die Geeignetheit der zur Verfügung stehenden Rechtsformen ist dennoch in weiterer Folge wichtig.  
Die neue Rechtsform der flexiblen Kapitalgesellschaft bietet aber trotzdem zahlreiche Vorteile für Gründer und Start-Ups und ist somit jedenfalls eine Verbesserung für den Wirtschaftsstandort.  
Bis dato (Stand Ende Mai 2024) wurden in Österreich knapp unter 400 FlexCos gegründet. Nach einer vorsichtigen Schätzung unter Zugrundelegung der Gründungen im ersten Halbjahr 2024, kann man davon ausgehen, dass es im Jahr 2024 zu insgesamt circa 800 Gründungen von FlexCos kommen wird. Im Kalenderjahr werden in Österreich im Durchschnitt zirka 15.000 GmbHs gegründet. Wenn man also die Anzahl der GmbH Gründungen ins Verhältnis zu den bisherigen FlexCos setzt, würde das bedeuten, dass 2024 zirka 5% der Gründungen auf FlexCos entfallen werden. Ob die als FlexCo gegründeten Unternehmen tatsächlich „Start-Ups“ sind oder ob es sich dabei um sonstige Unternehmensgründungen handelt, ist wieder eine andere Frage. 
Die neue Gesellschaftsform der FlexCo wird wohl im Laufe der Zeit an Beliebtheit gewinnen und der Anteil an FlexCos wird stetig steigen. Derzeit spielen sicher noch mangelnde Bekanntheit und Vorbehalte bei den Nutzern und Beratern wegen mangelnder Vertrautheit eine Rolle, warum sich bis dato nicht mehr Unternehmer bei der Gründung - trotz ihre zahlreichen Vorteile und kaum vorhandenen Nachteile - für die Rechtsform der FlexCo entschieden haben.  

Der Autor dieses Beitrags ist Rechtsanwalt Claudio Arturo von Petsch Frosch Klein Arturo Rechtsanwälte OG.

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